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Strick, Besamungsset, Badeanzug

Das Alte und das Neue
Ausstellung von Bernhard Kathan
Ein Nachruf auf die kleinbäuerliche Kultur


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Über viele Jahrhunderte hat die kleinbäuerliche Kultur das Leben im gesamten Alpenraum geprägt. Heute erleben wir ihren dramatischen Niedergang. Im neunzehnten Jahrhundert lebten etwa 75% der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Mechanisierung und Industrialisierung hat den Anteil der bäuerlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung in den letzten hundert Jahren kontinuierlich sinken lassen. Spätestens in den 60er Jahren hat die Mechanisierung auch die kleinbäuerliche Kultur erfasst. Heute beträgt der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung etwas mehr als zwei Prozent. Die kleinen Bauern vermochten sich über Jahrhunderte hinweg gegen alle Katastrophen zu behaupten, Hungersnöte ebenso zu überdauern wie Kriege, Ausbeutung, Epidemien oder Naturkatastrophen, der Mechanisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft wie den damit verbundenen Versprechen hatten sie nichts entgegenzusetzen. Aber diese Kultur war von erstaunlicher Komplexität, sie kannte Regulative des Ausgleichs, die der heutige Kapitalismus nicht mehr kennt.

Mögen Bauern auch in Vorarlberg zu einer Minderheit geworden sein, so verdankt sich vieles in diesem Land der kleinbäuerlichen Kultur. Genannt sei etwa der Häuslbau. Geltende Erbregelungen sicherten bislang nahezu jedem einen Baugrund zu. Vorarlbergs Wirtschaft lebt nicht zuletzt von den in der kleinbäuerlichen Kultur entwickelten Improvisationsleistungen.

Die Baumarktdichte in Vorarlberg ist diesbezüglich bezeichnend. Auch die vielen Vereine, der Zwang also, sich mit Leuten zusammen zu tun, denen gegenüber man durchaus Ressentiments kennt, verdankt sich dieser Vergangenheit. Die kleinen Bauern waren trotz aller Konkurrenz, trotz allen Futterneids zur ständigen Kooperation gezwungen. Dies prägt bis heute Vorarlbergs politische Kultur, mögen Politiker jeden Stallgeruch längst abgestreift haben, sich weltoffen und kulturbeflissen geben. Die Politik ist in bester bäuerlicher Tradition konsensual, konservativ.

Dass sich dabei auch erstaunlich innovative Projekte nennen lassen, ist dabei nicht als Widerspruch zu sehen. Ohne die bäuerliche Tratschkultur, der nahezu das ganze dörfliche Leben galt, wäre eine Zeitung wie die VN unverständlich. Allerdings ist nun das ganze Land zu einem Dorf geworden. Und in bester kleinbäuerlicher Tradition hoffen auch heute noch viele, der heimatlichen Enge zu entkommen.

Die Rezeption der kleinbäuerlichen Kultur ist höchst zwiespältig. Entweder wird sie wie durch die Werbung in kitschig-sentimentaler Weise vereinnahmt, oder sie wird einzig als grob und konservativ diffamiert. In der österreichischen Literatur der 60er Jahre spielte die dumpfe Welt der Bauern eine wichtige Rolle. Es lassen sich genügend Beispiele nennen, die irgendwo zwischen Sauschlachten und Ministrantenspiel angesiedelt sind. Zu Schriftstellern wie Turrini oder Innerhofer fügten sich Tierschützer, zu deren wichtigsten Feindbildern Bauern zählten. Auch die Berichterstattung in der Boulevardpresse war meist negativ, verständlich, verdankt diese ihren Erfolg nicht zuletzt dem Umstand, dass sie sich meist gegen die gesellschaftlichen Verlierer stellt.

Sogenannte Heimatmuseen geben vor, die Erinnerung an die kleinen Bauern wachzuhalten. Von allen Museen hinterlassen sie den armseligsten Eindruck. Gezeigt werden einfachste Geräte wie Gabeln, Sensen, Rechen, Dreschmaschinen, Körbe, Fässer. Keines der so gezeigten Objekte vermag wirklich etwas über das Leben der Bauern, nichts über ihre Dramen und ihre Tragödien, nichts über ihre Sehnsüchte, auch nichts über ihre Kultur zu erzählen, die ihnen half, Jahrhunderte lang Krisen und Katastrophen zu überleben. Geräte und Werkzeuge waren einfach, die bäuerliche Kultur dagegen von erstaunlicher Komplexität.

Statt Neugier, meist nur eine heillose Ansammlung der ewig selben Gerätschaften. Nicht das geringste Erstaunen darüber, dass die kleinen Bauern trotz knappster Ressourcen zu überleben vermochten. In keinem Heimatmuseum erfährt man wirklich etwas von den Ängsten und Nöten der Menschen. Sie blenden aus, dass die als konservativ gescholtenen kleinen Bauern technischen Neuerungen durchaus aufgeschlossen waren.

Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf die kleinbäuerliche Kultur zu werfen, sich mit wenigen Objekten, mit diesen aber genauer zu befassen, etwa mit einem Strick, einem Badeanzug, den ein Mädchen in den 70er Jahren bei der Heuarbeit trug, mit einer Selbsttränke oder einem Besamungsset.

Zeitschrift Kultur: Bernhard Kathan

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Eröffnung: Fr 1. Juli, 19 Uhr, Lesung aus dem Tagebuch eines Kleinbauers, Sabine Wöllgens, Schauspielerin
Dauer der Ausstellung: 1.-10. Juli 2005
Öffnungszeiten: 2. - 10. Juli jeweils von 17 bis 20 Uhr und nach Vereinbarung.
Tel: 05525/64417 oder 0664/1330350
SCHLATTER, Kirchgasse 6, Nenzing

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Buch zum Thema erschienen von Bernhard Kathan im Studienverlag Innsbruck 2006, ISBN-10:3-7065-3197-1


Rahmenprogramm

Sa 9. Juli, 20 Uhr
„Einer von 45.000“
Bergbauern von Sonntag/Stein, Großwalsertal
Videofilm von DI Franz Rauch und Schülern der Landwirtschaftsschule Hohenems, 1979
Anschließend gibt es ein Gespräch mit DI Franz Rauch und den Bergbauern, deren Arbeits- und Lebensraum im Film 1979 thematisiert und kritisch hinterleuchtet wurde.



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