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TENNEALE 2008


Vom Mangel zum Überfluss


RAHMENPROGRAMM:
Rückblick Rahmenprogramm 2008


AUSSTELLUNG:
Essen in der kleinbäuerlichen Kultur
30.8. - 4.10.2008

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Foto: Bernhard Kathan

Bernhard Kathan setzt sich in der Ausstellung mit dem Wandel unserer Kochtradition auseinander, der mit Veränderungen von Produktionsbedingungen einhergeht. Zu sehen ist ein aus vierzig Schubladenelementen zusammengefügtes Kleinmuseum der bäuerlichen Esskultur. Ulrike Jusssel zeigt parallel dazu eine Fotodokumentation zur Arbeits- und Produktionsweise der Bauern von heute in der Region. Gezeigt wird eine Fotoreportage. Kulinarisches aus der bäuerlichen Küche sowie Vorträge und erzählte Geschichten eröffnen weitere Perspektiven zum Thema

Heute verschwinden nicht nur viele Sprachen und Dialekte, sondern auch regionale Küchen und Kochtraditionen. Auf bäuerliche Kochtradition bezogen kennen wir bestenfalls Anleihen. Aufgrund geänderter Produktionsbedingungen sind sehr viele Grundstoffe der traditionellen Küche nicht mehr zu finden. Allein die heutige Schlachtpraxis macht es nahezu unmöglich, viele der damaligen Fleischgerichte zuzubereiten. Wo könnte man heute noch eine frische Blutwurst essen! Dazu kommen ökonomische Zwänge.
Ob Gastronomie oder Haushalt, da wie dort haben wir es oft genug mit Halbfertig- und Fertigprodukten der Lebensmittelindustrie zu tun. Trotz der Betonung von Vielfalt ist nicht zu übersehen, dass unser Essen zunehmend einförmiger wird. Begriffe wie “Herkunftskontrolle” oder “Bauernhofgarantie”, mit denen heutige Lebensmittelkonzerne ihre Produkte bewerben, sind Indiz dafür, dass wir immer weniger über Herkunft und Entstehungsbedingungen dessen wissen, was wir zu uns nehmen.

Heute ist die Frage nach dem Regionalen und Saisonalen neu zu stellen. Klimawandel wie anderes machen die Kosten einer globalisierten Ökonomie offensichtlich. Wir lernen nun, dass etwa Birnen aus China oder Chile mit Kosten verbunden sind, mögen sich diese bislang auch noch nicht spürbar im Kilopreis niedergeschlagen haben. Die bäuerliche Küche, die sich ökonomischer Zwänge und unterschiedlichster regionaler Bedingungen verdankte, war eine Küche des Mangels, mochte sie auch manche Köstlichkeit und Überfluss kennen. Es gibt keinen Grund, einer Welt der Armut, einer Welt ständiger Bedrohungen nachzutrauern. Wer wollte sich schon eine Zeit zurückwünschen, in der Kinder oft schlecht ernährt waren, fast all diesen Kindern eine Ausbildung verwehrt blieb, die ihnen ein besseres Leben ermöglicht hätte? Wer wollte sich eine Zeit zurückwünschen, die keine freie Berufswahl kannte, eine Zeit, in der nahezu das ganze Leben aus harter Arbeit bestand? Und was die bäuerliche Küche betrifft, so bekäme das oft genug fette Essen unseren Mägen schlecht. Der bäuerliche Verdauungstrakt schrie aufgrund der harten Arbeit geradezu nach kalorienhaltiger, vor allem fetter Nahrung, nach Schmalzgebackenem, Speck und Kesselfleisch. Die Beschäftigung mit der bäuerlichen Küche mag uns aber ins Bewusstsein rufen, dass uns das Wissen um Zusammenhänge und Wechselwirkungen, gerade unsere Nahrung betreffend, weitgehend abhanden gekommen ist.

Als Bernhard Kathan vor einigen Jahren mit diesem Ausstellungsprojekt begann, war noch nicht vorauszusehen, dass es nur wenige Jahre bis zu den ersten Hungerrevolten, wie wir sie heute erleben, dauern würde. Weltweit schien das Ende der Subsistenzwirtschaft endgültig besiegelt zu sein. Ernährungswissenschaften und Ökonomie versprachen genügend Nahrung für alle. Nur wenige Jahre später werden wir eines anderen belehrt, entdecken namhafte Experten, unter ihnen auch solche der Weltbank, die Subsistenzwirtschaft in Drittweltländern. Zweifellos lassen sich Lebensmittel industriell billiger erzeugen. Lange Zeit übersah man allerdings, dass subsistenzwirtschaftliche Strukturen oft wesentlich stabiler sind und zahllose Ressourcen kennen, die sich industriell nicht erschließen lassen. Eine Politik, die einzig an die Segnungen des Marktes glaubte und sich zur Handlangerin des Kapitals gemacht hat, hat in den letzten Jahrzehnten konsequent diese Strukturen mit all ihren Ressourcen zerstört und ein unermessliches Erfahrungswissen über Bord geworfen. Die Kosten zeichnen sich heute bereits deutlich ab. „Meine Beschäftigung mit der kleinbäuerlichen Kultur hat manche meiner Freunde irritiert, manche sahen darin eine nostalgische Schwärmerei. Heute weiß ich, dass sich diese Beschäftigung lohnt, und zwar nicht nur auf Ernährung bezogen“, resümiert Bernhard Kathan.

Helmut Schlatter

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Foto: Bernhard Kathan

Die Ausstellung ist als eine Art Küchenschrank angelegt: Hausschlachtung – beim Schlachten benötigte Gerätschaften – der Schlachtschussapparat – der Fleischwolf – Kinder beim Schlachten – Blut rühren – Blutwurst –Schwartenmagen – Lob des Schweines – Mangel und Überfluss – Ernährung im Jahreszyklus – jahreszeitliche Küche – Subsistenzwirtschaft – ein schlafwandelndes Kind stopft das Federbett in die Futterkiste der Hühner und wacht weinend mit einem Laib Brot auf – Ziegen, die Kühe der Armen – Brot- und Milchfrevel – der gehäutete Senn – Milch heute – Milchwerbung – Abfälle – die leere Schüssel – das Tischgebet – Schlaraffenland – die Geschichte vom Suppen-Kaspar – über den verderblichen Einfluss der Menstruation auf das Konservierte – vom Gebrauch des Essbestecks – Ekelempfindungen – Innereien – Fast Food – der Verdauungstrakt der Bauern – Mac Schnitzel – der Keller – Pökelfass – Weckgläser – Kühlschrank – die Küche – der Herd – eine Küche in einem Schulbuch der sechziger Jahre – die Kochnische – Erfahrungswissen – “EatCard” – eine Werbebroschüre der Supermarktkette BILLA – eine Camembert-Schachtel – Gepfeffertes Ärschle – Ablaufdatum – Obstsorten – Hühner – Artenvielfalt – der Acker – der Garten – die gemeinsame Schüssel – das Totenmahl – Nikolaus Walter als Fotograf der kleinbäuerlichen Kultur – Kinderreichtum – August Bebel: Geburtenkontrolle durch richtiges Essen – “Acht sind wir gewesen / acht Kinder, fünf Kühe”: ein Gedicht von Elisabeth Burtscher – Kreislaufwirtschaft und Ernährungskreislauf – Mechanisierung – Liebigs Fleischextrakt – Ich bin bio –Direktvermarkter – Blick in einen modernen Kuhstall – die Selbstabschaffung der Bauern – Käse mit Herz – das Regionale in Zeiten der Globalisierung – Lernen von der kleinbäuerlichen Kultur ....

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Foto: Bernhard Kathan

Lektüreempfehlung: Bernhard Kathan, Strick, Badeanzug, Besamungsset. Nachruf auf die kleinbäuerliche Kultur, Studienverlag, 19,90€. Ein Versuch, den Übergang von der Subsistenz- zur Marktwirtschaft zu beschreiben.

auch unterstützt durch Land Tirol - Kultur und
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